Donnerstag, 29. Juni 2017

Mieses Zeugnis?

So reagieren Eltern richtig
Oh – mein – Gott! Viele Eltern geraten beim Blick auf die Zeugnisse ihrer Sprösslinge derzeit mächtig in Wallungen.
Doch bevor Sie schimpfen, Handyverbote aussprechen oder hektisch Nachhilfe organisieren: Atmen Sie durch, denken Sie nach – und tun Sie das Richtige.

Zehn Gedanken, die Eltern beruhigen und Ihrem Kind wirklich helfen
Ein schlechtes Zeugnis ist nicht zwingend schlecht
Und ein gutes nicht unbedingt gut! Ein "Ausreichend" kann für ein Kind das Ergebnis enormer Anstrengung sein, ein "Gut" kann einem auch zufliegen. Fragen Sie Ihr Kind: Wie zufrieden bist du und wo hast du dir besonders Mühe gegeben? Kinder können sich meist gut einschätzen und Probleme benennen (z.B. Lehrerwechsel / störende Mitschüler).
Für miese Noten gibt es Gründe
Und die müssen nicht unbedingt Faulheit, Desinteresse oder mangelnde Aufmerksamkeit sein! Ergründen Sie die Ursachen: Gibt es Probleme im Klassenverband (Mobbing), ist das Kind in eine Null-Bock-Clique geraten oder einfach nur zum ersten Mal verliebt? Krankheit, Trennung und häusliche Konflikte können ebenfalls Ursache sein.
Grusel-Zeugnisse sind auch mal wichtig
Hat ihr Kind sich hängen lassen, ist das Zeugnis die direkte Rückmeldung darauf. Es lernt: Wenn ich mich nicht anstrenge, habe ich keinen Erfolg. Das kann eine wichtige Lektion fürs Leben sein.
Ein Schlachtplan hilft mehr als Schimpfen
Fragen Sie Ihr Kind, auf welche Weise es besser werden will und welche Unterstützung gut wäre. Erarbeiten Sie konkrete Maßnahmen (z.B. in den letzten drei Ferienwoche je eine Stunde täglich lernen, feste Lernzeiten). Halten Sie das Vereinbarte schriftlich fest und lassen Sie Sohn oder Tochter unterschreiben.
Der Lehrer ist (meistens) nicht schuld
Wenn Sie daheim schlecht über den Lehrer sprechen, befreien Sie Ihr von der Verantwortung für die eigene Leistung. Sofern eine Note allerdings nicht nachvollziehbar ist, sollten Sie nachfragen. Eltern können, wenn die Lehrkraft blockt, beim Schulleiter Widerspruch gegen die Noten einlegen. Dieser prüft, wie sie zustande gekommen ist.
Strafen sind sinnlos
Stattdessen sind logische Folgen des Handelns wichtig. Wer beispielsweise ein Handyverbot verhängt, um bessere Leistungen zu erreichen, wird Trotz ernten. Wenn ein ausufernder Handykonsum Ihr Kind aber am Lernen hindert, sollten Sie im gemeinsamen Gespräch Regeln vereinbaren (handyfreie Zeiten bei den Hausaufgaben, Maximalzeiten pro Tag, Handnachtruhe). Reagieren Sie auf ein schlechtes Zeugnis nie mit Liebesentzug! Zeigen Sie Ihrem Kind: Ich stehe zu dir, aber dein Verhalten ist nicht akzeptabel.
Bestechen hilft auch nichts
Stellen Sie für gute Noten eine Belohnung (z.B. Geld, eine Reise) in Aussicht, arbeitet es möglicherweise nur für diese "Prämie". Psychologen unterscheiden zwischen intrinsischer ("Ich will es schaffen") und extrinsischer ("Ich bekomme etwas dafür") Motivation. Ein Kind, das immer belohnt wird, lernt nicht, dass Anstrengung zum Leben dazu gehört. Es denkt, dass Leistung immer von jemandem belohnt wird. Feiern Sie gute Leistungen, aber nicht mit Geld, sondern mit einem gemeinsamen Ausflug, einem schönen Picknick oder irgendetwas, das Ihrem Kind Freude macht.
Ihr Kind ist vielleicht auf der falschen Schule
Ein künstlerisch veranlagtes Kind hat mit Naturwissenschaften und Sprachen unter Umständen Probleme. Es kann ratsam sein, sich nach einer Schule mit anderem Profil umzusehen. Auch ist nicht jedes Kind auf dem Gymnasium richtig. Ein Wechsel in eine andere Schulform (am besten in der 7. oder 8. Klasse) heißt nicht, dass die Chance aufs Abi vertan ist.
45 Prozent der Studierberechtigten haben keinen Gymnasialabschluss, sondern ihre Hochschulzugangsberechtigung auf dem so genannten Zweiten Bildungsweg erworben.
Nachhilfe kann helfen
Sofern identifizierbare Gründe (Umzug, Krankheit, vorübergehendes Lern-Tief, Prüfungsvorbereitung) vorliegen und der Bedarf überschaubar (in nicht mehr als zwei Fächern) ist, ist Nachhilfe sinnvoll.
Allerdings sollte sich ein Kind, das im Unterricht nicht aufpasst, nicht drauf verlassen, dass es der Nachhilfelehrer schon richtet. Sie können Ihr Kind (vorübergehend) an den Kosten beteiligen und vereinbaren, dass es sein Geld zurück erhält, wenn es sich im folgenden Schuljahr die gesteckten Ziele erreicht hat. 
Es ist nicht Ihr Zeugnis
Viele Eltern laufen Gefahr, die eigenen Ansprüche auf ihren Nachwuchs zu übertragen und nehmen die Misserfolge des Kindes als die eigenen wahr. Solche Emotionen setzen das Kind unter Druck und verwirren es. Machen Sie Ihrem Kind klar, dass es sein Zeugnis ist und dass schlechte Schulleistungen konkrete Auswirkungen auf seine Zukunft haben können ("Lass uns doch mal schauen, für welches Praktikum du dich mit drei Fünfen bewerben kannst.) Je sachlicher Sie argumentieren und je entspannter Sie  wirken, desto mehr führen Sie Ihr Kind zur Selbstverantwortung.
Und noch ein Tipp für alle, die noch nicht Sommerferien haben
Gas geben lohnt sich noch! Besonders wenn die Note auf der Kippe steht und sich z.B. aus den Einzelnoten eine 4,5 errechnet. Wenn Ihr Kind jetzt noch ein Referat hält und mündlich verstärkt mitarbeitet, kann es die Note noch beeinflussen. Denn: Die finalen Noten stehen – auch wenn die Zeugniskonferenz schon früher stattfindet – erst am vorletzten Schultag fest!
Fachliche Beratung: Josef Kraus, Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbandes und Buchautor ("Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt"), Dr. Albert Wunsch, Psychologe, Pädagoge und Buchautor („Wo bitte geht’s nach Stanford?")

Letzter Zugriff: 29.06.2017, 8.00 Uhr
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